Es ist schon lustig: Heute stellt sich wieder mal alles ganz anders dar. Von wegen "Ankommen". Da kann man noch so viel "Erkenntnisse" auf der Habenseite abgebucht haben, sich so viel klargemacht haben, neue Erfahrungen werfen einen dennoch wieder ins kalte Wasser. Körperlich ist da kein Ausweg, da kann dann noch so viel Bewußtsein sein.
So war es heute wieder ein ungemein stressiger Tag, vor allem, weil ich bei dem Gastauftrag zu verantworten hatte, auf der Pflasterbaustelle alles fertig zu bekommen , was durch einige Schwierigkeiten zwischendrin leider nicht ganz geklappt hat. Ich tendiere dann jedoch den ganzen Tag dazu, vor allem mit solchen Zeitvorgaben, mir ziemlichen Streß zu machen, was sich vor allem als Spannung und einem der-Zeit-hinterherlaufen-Effekt zeigt. So viel muß noch gemacht, so viel verbessert werden, gehe alles schon mal im Kopf durch und bin gedanklich immer schon ein, zwei Schritte weiter. Oft muß ich auch bei den Mitarbeitern schauen, daß diese keine Fehler machen, weil wenn doch, geht die Kappe auf mich.
Ich merke dann immer, daß da ziemlicher Druck bei mir entsteht, möchte den Erwartungen gerecht werden. Dadurch überspanne ich regelrecht, will perfekt und schnell arbeiten, was oft zusammen nicht so gut geht. Vor allem will ich spätere Kritik vermeiden, weil ich, wenn eine kommt, sie doch sehr persönlich nehme. Ich habe zwar mit meiner Firma ziemliches Glück, weil es da meist sehr konstruktiv und sachlich abläuft, aber das scheint mir eher die Ausnahme von der Regel zu sein, wenn ich schaue, was sonst so abgeht. Das ist mir so noch gar nicht aufgefallen.
Diese deutsche Leistungsgesellschaft ist wirklich kein leichtes Pflaster. Und es ist sicher nicht leicht, sich darin zu bewähren. Sei es mit Kunden, Chefs oder Kollegen. Als empfindlicher Typ ist da durchaus die Gefahr unter die Räder zu kommen, wenn alles unter die Haut geht, was dort passiert. Vielleicht habe ich auch deswegen lange Zeit die Tendenz gehabt, mich eher zurückziehen, schüchtern zu werden, weil da viel zu viel auf mich eingeprasselt ist, was ich gar nicht verarbeiten konnte. Vor allem empfand ich viele menschliche Verhaltensweisen hierzulande schon von Kindesbeinen an immer sehr hart und unerbittlich. Wobei das in Bayern durch eine gesellige Ader oft aufgeweicht wurde, was es aber auf der anderen Seite eher schlimmer machte, weil die Offenheit und Herzlichkeit eine rein kulturelle Gepflogenheit war, ohne innere Korrespondenz der Menschen. Sie wirkten nur so, konnten aber, besonders weil man meinte, sich ihnen mehr anvertrauen zu können, einen erst recht tiefer treffen, weil die menschliche Ebene offener lag. In nördlicheren Gefilden ist ohnehin jeder distanzierter, was den Vorteil hat, daß einen die Leute eher in Ruhe lassen.
Wie dem auch sei: Ich bin heute definitiv geläuteter. Weniger auf große Momente aus. Der Streß mahlt so richtig durch. Denn es wird klar, daß ich wie ein Boot auf einem offenem Meer bin: Hilflos dem Wellengang ausgeliefert, ohne etwas tun zu können. Da sind zwar Dinge, die kann ich tun, und die tue ich auch, aber manchmal reicht selbst das nicht, um z. B. den Chef, Kunden, wen auch immer, zufriedenzustellen. Das demütigt total. Es zeigt meine Grenzen auf. Und läßt mich wieder Mensch werden.
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Kann übrigens auch auf die politische Lage übertragen werden: Der Streß, der durch zunehmende Unfreiheit und Bevormundung entsteht, zeigt einem auch die Grenzen auf, und offenbart, was für einen möglich ist, und was nicht. Es ist völlig richtig zu leiden, wenn man sieht, was in Deutschland gerade vor sich geht, wenn man nämlich etwas erwartet, was aber nicht passiert.
Genau das erzeugt den Streß: Die Dinge müssten anders sein, als sie sind. Trotz meiner Arbeit, meines Fleißes, meines Einsatz, meiner politischen Aufklärung, meinen Gesprächen mit Mitmenschen, meinen Videos/Blogs/Reden sehe ich, daß ich machtlos bin. Ich kann die Lage nicht verändern. Es gibt Dinge, die kann ich einfach nicht beeinflussen, so sehr ich mich auch bemühe, so sehr ich auch die besseren Argumente und Herangehensweisen habe.
Streß ist also das Zeichen, daß ich mich selber von etwas abhängig mache, was gar nicht in meinem Bereich liegt. Ich lasse mich aus der Mitte ziehen. Nicht die Gesellschaft, nicht die Vorgesetzten, nicht die Wirtschaftsregeln, sondern ich selber tue das. Ich mache meine Zufriedenheit davon abhängig, ob etwas außerhalb meines Tuns eintritt oder nicht. Das muß schiefgehen.
Streß kann da gar nicht auftreten, wo ich weiß, daß ich mein Bestes tue, und nur dafür Verantwortung übernehme.
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