Das würde jeder bestätigen, wenn wir nach Kompetenzen z. B. zu einem Handwerk gehen. Da gibt es ganz klare Wahrheiten oder funktional sich als richtig erwiesene Herangehensweisen, mitsamt Leuten, die das mehr verstanden haben, Leuten, die schon etwas länger dabei sind, und anderen, die vielleicht gerade mal anfangen, sich etwas anzueignen. Dann zu sagen: Jeder ist gleich, sollte auch das gleiche verdienen, den gleichen Profit aus einer Arbeit ziehen, wäre völlig ungerecht gegenüber denjenigen, die sich schon seit mehreren Jahren mit einer Thematik praktisch auseinandersetzen.
Das sollte aber eigentlich selbstverständlich sein, wobei das in der heutigen Zeit leider nicht immer vorausgesetzt werden kann, weil die Gehirnwäsche bereits Dimensionen angenommen hat, die das Verstehen solcher einfachen Zusammenhänge für viele Menschen bereits unmöglich gemacht hat.
Interessant finde ich nämlich immer, daß wenn es in Richtung Weltanschauungen, Gesellschaft, Politik, auch Sexualität, also mehr in für uns heißere, energiegeladenere Themen geht, diese Gesetzmäßigkeit plötzlich nicht mehr gelten soll. Da leben wir dann in einer angeblichen, ach-so-tollen Demokratie, in der jeder sich „seine Meinung“ bildet, oder eben „seinen Standpunkt“ hat, was jedoch völlig wertlos ist, weil diese letztlich nur irgendwelche übernommenen oder angelesenen Ideen oder Gedanken widerspiegeln, und keine Kompetenz oder Verständnistiefe über echte Zusammenhänge darstellen.
Und erst recht absurd wird diese Denkweise dann, wenn wir in den Bereich Selbsterkenntnis gehen, weil es da erst recht keine verschiedenen Meinungen geben kann, weil es nur eine einzige wahre Sicht gibt, die - wie es der Begriff Non-Dual ja bereits andeutet - nichts Zweites mehr neben sich duldet, weil das eben wieder dual und damit unwahr wäre.
Ich weiß, daß das viele erschrecken wird, denn das wirkt doch erst recht dogmatisch, diktatorisch geradezu, denn Freiheit heißt doch, selber entscheiden zu dürfen, oder? Sicher, jeder kann frei entscheiden, aber wenn ich, sagen wir mal Schreiner werden will, dann ist die Logik doch eindeutig so, daß wenn ich etwas für mich herausfinden will, die Fähigkeit erwerben will, ich doch für die Zeit, die ich da Anweisungen z. B. eines Meister entgegennehme, doch vielleicht auch Dinge machen muß, die ich so erstmal nicht machen würde, wenn ich nicht in der Situation wäre, d. h. ich mache, was mir gesagt wird, denn nur so kann ich neue Erfahrungen machen.
Natürlich kann ich sagen: Ich breche die Lehre ab und mache mein eigenes Ding. Ist ja auch möglich. Der Punkt ist nur: Ich kann dann nicht sagen, daß ich Schreinerei ausübe, weil ich nicht mal einen blassen Schimmer habe, was das heißt, was dafür nötig ist, welche Augenmerke ich dafür beachten muß. Was ich dann nämlich tue ist nichts anderes als: Stümpern. Ich bin ein Dilettant, kann mir vielleicht anlesen, wie das geht, mir das irgendwie zurechtbasteln, aber letztlich wird nichts dabei herauskommen, weil es eben Punkte gibt, auf die einen nur ein Meister aufmerksam machen kann, da ich sie schlichtweg unmöglich selber sehe.
Ich merke das z. B. sehr stark bei Klavierspielen. Da ich keinen Lehrer habe, und zurzeit wegen dem Lockdown leider auch schwer ist, so jemanden zu finden, bringe ich es mir seit etwas mehr als zwei Jahren selber bei, was zum Teil ganz gut klappt, mir dabei aber auch klar ist, daß ich bestimmte Dinge falsch machen muß, was nur durch jemand Kompetenteres durch einen Blick von außen aufgeklärt werden kann. Wenn ich natürlich meine, alles selber schon besser zu können, werde ich mir sowas aber natürlich nicht antun, denn das wäre ja durchaus erstmal demütigend, da ich vielleicht sogar schon etwaige Fortschritte und Gewohnheiten, die ich meine schon gemacht zu haben, wieder aufgeben müßte. Was ich damit aber nur mache: Ich schade mir selber und betrüge mich um eine Qualitätsverbesserung, die durch das Feedback eines Erfahrenen eintreten würde.
Es ist ein Beispiel, das praktisch überall zur Anwendung gebracht werden kann, und erst recht für die Selbsterkenntnis gilt, denn sie kann im Gegensatz zu handwerklichen Ausübungen ohne eine Kraft außerhalb des eigenen Ego nicht eintreten, da sie praktisch die Antithese zum Ego selber ist. Die Demütigung oder besser: Ernüchterung - wie ich sie schon durch das Beispiel Klavierlehrer angedeutet habe - ist da wie ich immer klarer sehe das Gewürz in der Suppe, also eine unablässige Zutat ohne die gar nichts geht. Die Ernüchterung wirkt aber nur im ersten Moment hart, denn es muß klar sein, welche Intention dahinter steckt, und was sie auf Dauer für einen bewirkt: Nicht nur wie beim Klavierspiel ein besseres Spiel, nein, wenn ich vom Ego herunterkomme fühlt sich das auf lange Sicht wie eine Heilung von einer tödlichen Krankheit an, die einen vergiftet hat, und nun nach und nach dank des Gegenmittels, der Ernüchterung, von einem weicht. Derjenige, der einem die Ernüchterung erteilt tut das nicht, um einen fertigzumachen oder um sich über einen zu stellen, sondern weil es genau diesen Effekt erzielt. Wer diesen Zusammenhang versteht kann dann unmöglich noch beleidigt sein, sondern wird verstehen, daß sie wie eine Medizin vielleicht erstmal bitter schmeckt, doch von der Wirkung her schon bald ihre Effekte zeitigt.
Natürlich sollte auch klar sein, daß das eigene Ego diese Medizin nicht wirklich mit offenen Armen empfängt, und eher auf Abstand gehen will, aber hier gilt es zu verstehen, daß man sich da zu nichts zwingen muß, sondern eher generell versteht, was da passiert, und mit den Vorschlägen weitermacht, die im Umfeld der Selbsterkenntnis-Gemeinschaft angeregt werden.
Oder wie U. G. Krishnamurti es gesagt hat:
"Love and hate are not opposite ends of the same spectrum; they are one and the same thing. They are much closer than kissing cousins."
Auf der einen Seite wird diese Medizin der Demütigung gehaßt, denn sie fühlt sich einfach nicht angenehm an; das ist einfach so. Auf der anderen Seite liebe ich sie wie nichts anderes, weil sie mir genau die Kur gibt, nach der ich mich mein Leben lang gesehnt habe, mich vom inneren Dämonen, der meint, alles besser zu wissen, erlöst. Und erst da, jenseits "meines Standpunkts", bin ich dann wirklich frei.
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