„Das Selbst war etwas sehr Reales, das einzige Reale in meinem derzeitigen Zustand, und die gesamte bewusste Aktivität meines Körpers konzentrierte sich auf dieses Selbst. Seither ist die faszinierende Kraft dieses Selbst im Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit geblieben […] Das Aufgesaugt-Sein in das Selbst dauert seitdem ohne Unterbrechung an. Andere Gedanken erscheinen und verschwinden wieder, ähnlich wie die Noten eines Musikstücks, aber das Selbst ist wie ein Grundton unter den anderen Noten stets vorhanden und mischt sich mit diesen. Auch wenn mein Körper vom Reden, Lesen oder was auch immer eingenommen ist, ist mein ganzes Sein nicht minder auf das Selbst zentriert. Vor dieser Krise vermochte ich das Selbst nicht klar wahrzunehmen, und ich fühlte mich nicht bewusst vom Selbst angezogen.“ - Ramana Maharshi
Ich mag diese einfache, klare Sprache. Was soll es sonst noch geben? Dieses Leben ist nur für dich da. Nicht für andere, nicht für die Kultur, nicht für die Gesellschaft, nicht für das Gemeinwesen, nur für dich. Und was bist du? Was bin ich? Das Selbst?
Es heißt ja auch Das Selbst. Nicht dein, oder mein, oder sein, sondern Das. Es gibt also eine Basis vor der alles erscheint, auch all die unterschiedlich erscheinenden Menschen inklusive einem selber.
Für mich stellt sich die Frage, wie ich im täglichen Leben mit dieser Wahrheit umgehe. Rein philosophisch sind die Aussagen von Maharshi ja klarer als klar. Generell ist das aber nicht die eigene Erfahrung, denn das Selbst, es scheint in all den anderen als wichtig gepushten Eindrücken unterzugehen, wird in der Regel übergangen, und wird man mit anderen Menschen darüber reden, so werden sie einen für verrückt erklären, lieber alles glauben, nur nicht, daß in ihnen etwas anwesend ist, was ständig so bleibt wie es ist, unerschütterlich, und daß sie selber das sind.
Jedenfalls fällt mir das auf, bei sogenannten sozialen Organisationen also Parteien, Vereinen, Clubs. Z. B. ganz plastisch: Fußballvereine. Ich habe vorhin mal kurz in die Sportschau geguckt, Bundesliga am Samstag. Früher habe ich mir das regelmäßig angeschaut, heute saß ich zufällig zu der Zeit am PC und dachte, warum nicht mal wie einst reinschauen? Da geht es dann aber nicht um Fußball, sondern um das Vereinsjubiläum von VfL Osnabrück, 120 Jahre. Die Fans feiern, auch "ihren" Aufstieg. Wer oder was wird da 120 Jahre? Was steigt auf? Wohin? Ein Verein, aber hat das jemand miterlebt, was ist dieser Verein? Menschen kommen, Menschen gehen, aber standhaft über die Jahre hinweg bleibt dieser Verein, nicht? So die gängige Denkweise.
Auch fiel mir das auf beim Tod eines ehemaligen, langjährigen Vorstand meines alten Handballvereins. Da senden ihm die Leute noch Abschiedsgrüße, die aber allesamt ja nicht von ihm empfangen werden, denn er ist ja nicht mehr da. Für ihn gibt es diesen Verein nicht mehr. Dieser Verein war in ihm, die Arbeit für die Projekte war seine Energie, das ganze Leben, es war sein Leben. Der Verein ist da doch völlig egal.
Man kann das auf weitere Augenmerke ausweiten. Beispiel Staaten. Menschen werden geboren, sie sterben, aber was die Zeiten überdauert, das ist doch sicher der Staat, das Volk, das Gemeinwesen, wie auch immer. Und das ist ganz leicht zu wiederlegen: Wo sind denn die Ganzen in Stein gemeißelten, unzerstörbar wirkenden Blöcke von Sowjetunion, Weimarer Republik oder DDR denn heute? Wo frage ich? Und wo wird so etwas wie die BRD in dreißig, vierzig Jahren sein? Richtig, genau da, wo all die anderen Konstrukte bereits gelandet sind: Auf dem Friedhof der Geschichte. Mit ihr all die verlorenen Seelen die mit diesen Molochen untergehen, weil sie die für wirklicher halten, als ihre eigene Wirklichkeit.
Es geht darum, die eigentliche Perspektive wieder zu sehen, daß all diese äußeren Erscheinungen völlig unerheblich sind. Wichtig ist nur, was in der Lebensspanne abläuft, die einem gegeben wurde. Niemandem sonst bin ich verpflichtet. Schon gar nicht irgendwelchen Funktionären oder Moralaposteln, die sagen, ich solle auch an die zukünftigen Generationen denken, oder wie RPS so schön sagte, an irgendwelche Kinder auf anderen Kontinenten. Sind die Teil meiner Lebensspanne? All diese Suggestionen ziehen einen genau da heraus, worüber das anfangs genannte Zitat spricht.